Nach Gott? Entzauberung der Aufklärung

Nach Gott? Entzauberung der Aufklärung

Auszug aus Petra Bahr »Wie viel Religion verträgt
unsere Gesellschaft?«, Seite 9–19

... Die Relevanz der theologischen Stimmen im öffentlichen Raum ist gegenüber den Debatten von vor zweihundert Jahren geschrumpft, ja, Theologie gilt in den Gegenwartsdebatten vielen grundsätzlich als suspekt. 

Die Muster öffentlicher Debatten im 19. Jahrhundert, ihre Argumente und die Emotionen, die sich oft genug über das Für und Wider guter Gründe legen, ähneln allerdings den unseren. Das ist verblüffend, denn die Welt, in der wir leben, ist augenscheinlich eine andere. Die zentralen Fragen aber sind nicht nur geblieben, sie werden zugespitzt: Ist Religion gefährlich, nur lästig oder im Gegenteil konstituierend für eine humane Gesellschaft? Welchen Beitrag kann eine reli­giöse Perspektive auf die Welt leisten? Welche Bedeutung haben religiöse Traditionsabbrüche für den Umgang mit ih­ren Revivals an anderem Ort? Vor welchen Ansprüchen muss man sich schützen? Wie kann die Bedeutung des Religiösen vom Einflussverlust einer bestimmten Organisation, zum Beispiel der Kirchen in Deutschland, unterschieden werden, wie über das Christentum diesseits und jenseits kirchlicher Deutungsansprüche geredet werden? Wie mit der religiösen Pluralität, wie mit verschiedenen, vor allem konfligierenden Gestalten des Religiösen umgehen, die für massive Span­nung, ja für Kulturkämpfe sorgen? Wie die Grenzen der Reli­gionsfreiheit bestimmen, wenn diese Verfassungsrang hat? Die Frage nach der Grenze des Religiösen zielt gegenwärtig weniger auf die Grenzen der Vernunft als auf dessen zivile Einhegung oder Verbannung. Die Ähnlichkeit vieler Argu­mentationsmuster bei der Unterschiedlichkeit ihrer disku­tierten Phänomene ist dennoch überraschend und lohnt schon deshalb eine kurze Erinnerung. Denn wie so oft liegt in der Erinnerung ein hilfreicher Blick auf die Zukunft, als Vergewisserung, als Standortbestimmung, als Korrektur. Die gegenwärtigen Religionsdebatten sind, auch wenn sie religi­onsphilosophischer Fragen im Engeren längst beraubt sind, in gewisser Hinsicht auch als Nachgeschichte dieses Auf­bruchs zu verstehen.

»Ist Religion gefährlich, nur lästig oder im Gegenteil konstituierend für eine humane Gesellschaft?«

Die einen Stimmen verteidigen vor zweihundert Jahren eine starke Organisation von Religion, näherhin der christ­lichen Kirchen, als Moralagentur eines mehr oder weniger autoritären Staates. Ohne starke Organisation von Religion samt ihrer Hierarchien, so prophezeien sie, bricht Chaos aus. Religion, verstanden als Körperschaft im Gegenüber zum Staat und weniger als Ausdrucksform von Individuen, wird als Ordnungsgarant mit den Befugnissen zur Domestizierung von Freiheitsgelüsten und drohenden Anomien verstanden, politisch als Bollwerk gegen die philosophische und theolo­gische Aufklärung, die aus Gedanken Revolutionen werden lässt. Religion steht hier für eine Ordnungsvorstellung, die sich einer höheren Autorisierung verdankt. Religion ist hier weniger Bindung an eine Transzendenz als Gehorsam gegen­über einem göttlichen Gebot und seiner Weisung. Die Ande­ren, die gerade anfangen, das wilde Denken einzuüben, aus intellektueller Leidenschaft, aus Trotz und weil sie mit einem Fortschrittsglauben ausgestattet sind, der mit der Wucht der biblischen Propheten daherkommt, wünschen sich genau die­se Institution zum Teufel, an den sie selbstredend genauso wenig glauben wie an einen Gott. Ihre Religionskritik ist vor allem Kirchenkritik voller Verve und Leidenschaft. Human, aufgeklärt und dem Drängen des Individuums nach Freiheit verpflichtet, kann in ihrer Perspektive nur eine Gesellschaft sein, die jedes religiöses Sehnen als falsche Vertröstung ent­larvt hat. Religion, so rufen sie mit Nachdruck und der Lust an der Provokation, verträgt sich gar nicht mit dem Traum einer Gesellschaft, die nach dem Modell der Berliner Salons erfun­den wird – dem egalitären Traum einer intellektuellen Elite, die nur das Kunstreligiöse und die individuelle Erfahrung gel­ten lässt. Dass aus dieser ästhetischen Fantasie schnell poli­tische Ideen werden, die so gewaltig wie freiheitsverachtend sind, zeigt der geistige Weg in die politische Romantik. Reli­gion darf hier als Überwältigungsraum wiederkehren, der Souveränitätsansprüche weltlicher Herrschaft ausstaffiert. Harmlos war die Ästhetisierung des Religiösen also schon da­mals nicht zwangsläufig. Der Säkularisierung des Religiösen folgt oft die Sakralisierung eines anderen Erfahrungsbereichs. Aus dem nahen Frankreich kommen die Ideen für einen kon­sequenten Laizismus, der die religiöse Praxis so rigoros aus dem öffentlichen Leben drängt, dass über kurz oder lang auch die religiös affizierten Herzen Erfüllung im Diesseits einer idealen Gesellschaft freier Brüder finden – freier Brüder, denn bei den meisten Vordenkern der Abschaffung des Religiösen zugunsten eines geselligen Raums ungebeugter Geister unter­scheidet sich die Geschlechterordnung nicht von den Unter­ordnungsmodellen orthodoxer Kirchenmänner. Nicht nur der Kirche, sondern auch theologischen Gedanken und Traditio­nen wird der Kampf angesagt. Dieser Kampf bleibt keiner, der nur mit Worten ausgetragen wird. Zerstörte Kirchen und er­mordete Geistliche zeugen vom »Terror der Vernunft«. Dass diese aufgeklärte Hoffnung selbst religiös aufgeladen ist und mit dem jakobinischen Terror auch eine weltanschaulich mo­tivierte Brutalität offenbart, hat unter den Freunden Schleier­machers erst einen schweren Schock und dann einige Korrek­turen des Denkens befördert. Kluge Geister nehmen schon wahr, dass der Wunsch nach Säkularität nicht immer mit der Gleichberechtigung vieler einhergeht. Oft genug geht mit der laizistischen Versuchung nicht nur die Vertreibung autoritärer religiöser Ansprüche einher, sondern eine neue Weltanschau­ung, die so ungnädig sein kann wie die, an deren Stelle sie tritt. Die politischen Ideale eines Auguste Comte mit ihren Zeremonien und Riten etwa ähneln der Hierarchie der rö­misch-katholischen Kirche nicht nur von ferne. 

Die dritte Perspektive, jene, die Schleiermacher in sei­nen »Reden über die Religion« formuliert, kann sich dagegen schon damals kaum Gehör verschaffen. Dabei gilt seine Schrift Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern von 1799 als der Gründungsklassiker des moder­nen Religionsessays. Die harsche Reaktion von Kirchenlei­tungen und protestantischen Kollegen an der Universität auf seinen Essay zeigt, dass hier ein kühner Vordenker spricht, der zeit seines Lebens die Missverständnisse bearbeiten muss, die seine Überlegungen provoziert haben. Es ist die berühmte Position »zwischen den Stühlen«, die Schleiermacher ein­nimmt. Schon der Religionsbegriff, den er vorstellt, hat es in sich. Religion vollzieht sich nicht als Glaube an ein wie auch immer vorgestelltes extramundanes Wesen. Sie verstärkt oder konterkariert auch keine wissenschaftlichen Perspekti­ven auf die Welt oder erscheint als höhere Moral. Religion ist »Sinn und Geschmack fürs Unendliche«, so lautet seine be­rühmte Definition. Oft wird diese Bestimmung mit ästheti­schen Erfahrungen verwechselt. Ihre Familienähnlichkeit hätte der kunstsinnige Theologe auch nicht bestritten. Doch ihm ging es darum, jenseits und vor aller konfessionellen Bestimmung einer Gotteserfahrung eine allgemeingültige Beschreibung des Religiösen zu finden. Religion, sagt er – und die vielen Formulierungsvarianten verweisen auf eine Verlegenheit, die bis heute bleibt –, Religion ist die Weise, in der der Mensch seinen Grund und Abgrund erfährt und zum Thema macht. Religiöse Praxis und ihre Reflexion kreisen um diesen Weltzugang. 

Dies ist nicht weit entfernt von gegenwärtigen Religions­bestimmungen durch die sozialwissenschaftliche Religions­theorie. In den öffentlichen Diskursen hat sie sich auch zwei­hundert Jahre später noch nicht durchgesetzt. Die Einsicht, dass religiöse Erfahrungen jenseits und diesseits organisierter Religionsgemeinschaften anders als mit den Mitteln natur­wissenschaftlicher Evidenzermittlung beschrieben werden müssten, um die Frage nach der Religion der Zukunft ernst­haft ergründen zu können, bevor einer zögernder, tastender Antwortversuch unternommen werden kann – diese Einsicht hat es bis heute schwer. Entweder diskutiert man das Wohl und Wehe ganzer Weltreligionen oder konkrete Ausdrucks­formen wie das Kopftuch oder den Muezzin-Ruf. Dazu ste­hen wie vor zweihundert Jahren die religiösen Extreme pars pro toto für »das Religiöse«. Wenn Religionsgemeinschaf­ten ­– ob christliche Gemeinschaften, muslimische Verbände oder jüdische Gelehrte – die wissenschaftlichen Forschungs­stände zur möglichen Erstehung der Erde verbieten wollen, weil die religiöse Deutung göttlicher Schöpfung an ihre Stel­le tritt, ist gleich »Religion« als solche wissenschaftsfeind­lich. Ohne Frage offenbart so manche Lehre, allen voran der Kreationismus, einen Deutungsanspruch, der zurückgewie­sen werden kann und muss. Doch wenn die Theologie der Schöpfung – um ein markantes Beispiel aus den drei mono­theistischen Weltreligionen zu nennen – als religiös-poeti­sche Vergewisserung des Grundes der Welt und der eigenen Existenz gleichermaßen lächerlich gemacht wird, zeigt das, dass die Entdifferenzierungswut auch vor denen nicht halt­macht, die mit philologischer Akribie, historischem Be­wusstsein und Sinn für die religiöse Sprachformen uralter Texte Aufklärung an heiligen Überlieferungen betreiben.

Schon zu Schleiermachers Zeiten begegnen auch die ge­lehrtesten Kritiker der Religion in all ihren Ausdrucksformen mit den Mitteln der Ridikülisierung und der Vereinfachung. Religion ist das, was bleibt, wenn einer von wissenschaftlicher, politischer, ästhetischer und medizinischer Aufklärung nichts verstanden hat, sozusagen der Weltzugang der Dummen oder Denkfaulen, bei den gemeineren Autoren sogar der Kranken, mithin Geisteskranken, die sich aus Angst eines Besseren nicht belehren lassen wollen. So könnte man diese Position zusammenfassen. Religion als Form unaufgeklärter Angst­bewältigung – ein billiger, leicht verfügbarer Trost bei denen, die Fragen lästig finden und erst in der Unterwerfung aller Sorgen ledig sind; mit diesen Salven munitionieren sich auch heutige selbsternannte Gotteswahn-Bekämpfer. Wer sich re­ligiös artikuliert, paktiert mit nichtexistenten Mächten, die gleichwohl wegen der steten staatlichen Unterstützung wirk­sam werden können. Die erfolgreichste Form der Religions­kritik ist eben nicht das intellektuelle Wortgefecht, das in dem Pastorensohn Friedrich Nietzsche sein Vorbild hat, son­dern die Karikatur, die Satire und alle gehobenen und niede­ren Formen des Lächerlichmachens. Die jüngste Religions­kritik eines Richard Dawkins oder Michael Schmidt-Salomon bleibt dabei einem linearen Fortschrittsparadigma verhaftet, das von Anfang an die Moderne antreibt. Es wird von ihren Protagonisten sogar forciert als lineare Säkularisierung, ohne jede Dialektik, aber auch ohne jede Lust an den moder­nen Komplikationen, die sich mit dem Theorem der Säkula­risierung verbinden. Nach wie vor setzen Religionskritiker darauf, menschliche Lebenszusammenhänge »sola ratione« herstellbar und verfügbar zu machen. Als hätte es die Dialektik der Aufklärung nie gegeben, als sei die Geschichte der Säkularisierung immer noch als geschichtsphilosophisches Kontinuum mit finalem Einlauf zu denken. Die harte Unverträglichkeitsdiagnose kommt bei allem kämpferischen Laizismus mit weltanschaulich aufgeladener Attitüde daher. Ohne Religion geht es allen besser, sagen und schreiben ech­te Überzeugungstäter schon vor zweihundert Jahren und ver­weisen auf die Blutspur, die die christlichen Kirchen mit ih­ren Religionskonflikten jüngeren oder älteren Datums hinter sich herziehen. Da steckte der religiöse Fundamentalismus als eine Ausdrucksgestalt der modernen Antimoderne noch in den Kinderschuhen, aber die Retropien bedeutender Kir­chenmänner, die vom Mittelalter träumen, um den Heraus­forderungen ihrer Gegenwart zu entfliehen, kennt man schon. Die Trostbedürftigen sind in Diktion dieser Kritiker die Ver­standesschwachen, die die Grenzen ihrer Vernunft nicht aus­reizen, sondern ängstlich am Zaun stehen und alles abweh­ren, was die eigene Überzeugung fraglich werden lässt.

Die Antwort von Religionsvertretern und Universitäts­gelehrten darauf ist freilich oft reflexhaft, ähnlich blasiert oder überheblich. Da muss Religion für die Gewährung der öffentlichen Moral herhalten, und diffuse Vorstellungen vom Zusammenhalt der Gesellschaft werden zum Gemeinplatz. »Moral« bedeutet vor zweihundert Jahren allerdings vor al­lem eine Mauer gegen Emanzipationsbewegungen aller Art, die religiöse Beglaubigung bestehender Verhältnisse. Des­halb kann die Referenz auf gute öffentliche Sitten wie selbst­verständlich von scharfen Worten gegen Juden, Katholiken, Intellektuelle, Forscher und besonders gegen Frauen beglei­tet werden. Schon vor zweihundert Jahren hat Friedrich Da­niel Schleiermacher vor solcherart Selbstverkleinerung der organisierten Religion gewarnt und die Pluralisierung reli­giöser Überzeugungen in den Blick genommen, allerdings wie viele seiner Zeitgenossen mit einem blinden Fleck, wenn es um die Gleichordnung der jüdischen Religion im öffentlichen Leben ging. »Religion ist weder Moral noch Metaphy­sik.« So bringt es der preußische Gelehrte und Prediger seit zweihundert Jahren mehr oder weniger vergeblich auf den Punkt. Wer Religion auf Moral und Lebensführung auf der einen Seite und spekulative Abhandlungen über Grund und Grenze des Menschen und Gottes auf der anderen Seite ver­engt, verfehlt ihre Pointe. Religion ist eine »Erfahrung mit der Erfahrung«, eine Lebens- und Weltdeutung, die nach Überschreitung des eigenen Lebens jenseits wissenschaftli­cher, pädagogischer, ökonomischer, rechtlicher oder politi­scher Perspektiven fragt. Deshalb kann das Religiöse mit seiner Organisation genauso wenig deckungsgleich sein wie mit den Traditionen, Praktiken oder Theologien, in denen es artikuliert wird. Erst der Überschuss, das stete Moment der Überschreitung, macht es zu dem, was es ist. Grund und Abgrund des Daseins und des Seins nicht nur zu bedenken, sondern zu erfahren, ist der Kern des Religiösen. Als eigene symbolische Form passt Religion, wie die Kunst, deshalb durchaus in die Zukunft, selbst wenn die Institutionen, in de­nen sie sich zeigt, sich erheblich verändern. Dann dient sie, ernst genommen, nicht nur der Selbstberuhigung oder der Kontingenzbewältigung, sie kann und wird auch das Gegen­teil sein: ein Unruheherd, eine Garantin für das Zögern und den Zweifel. Religion, verstanden als immer wieder neue An­eignung einer religiösen Tradition, als offener existenzieller Übersetzungsprozess, stellt auch Fragen, die sonst niemand so stellt, und trägt dazu bei, dass Veränderungen nicht nur als Bedrohung empfunden werden. Dabei ist der Aspekt der re­ligiösen Gemeinschaft, in denen das Religiöse gelebt und bedacht wird, entscheidend, verstanden als ein Generationen­bündnis, das mal mehr, mal weniger institutionell ebenso in die Geschichte wie in die Zukunft weist. Religion im Horizont der Aufklärung – eine immer noch unerledigte Geschichte. 

»Religion gibt es nur noch im Plural. Gott dient weltweit als Referenz für den menschenverachtenden Terror, das Wort Allah erzeugt bei vielen Furcht, die mit Gottes­furcht nichts zu tun hat.«

Zweihundert Jahre Modernisierungsgeschichte haben sich über die Tischgesellschaften im Schatten des Berliner Schlosses gelegt. Das Schloss lag zwischendurch in Schutt und Asche. Nun steht es wieder, in Stein gegossener Neohis­torismus, entkernt und mit neuen Erwartungen befrachtet. Die Diskussion über die Zukunft der Religion ist immer noch – oder sollte man sagen: wieder – da. Die Welt ist eine andere geworden. Religion gibt es nur noch im Plural. »Gott« dient weltweit als Referenz für den menschenverachtenden Terror, das Wort »Allah« erzeugt bei vielen Furcht, die mit Gottes­furcht nichts zu tun hat. Kaum eine Debatte über die Zukunft der Religion, die nicht innerhalb von Minuten eine Islamde­batte wird. Die äußerste Form des Nihilismus, der islamisti­sche Terror, gibt sich in Bekennerschreiben als religiöser Ge­horsam aus. Durch manche Regionen der Welt zieht ein fast schon dreißigjähriger Krieg mit seinen unmenschlichen Formen gegenseitiger Vernichtung. Muslime sterben täglich durch die Hand von Muslimen. Gegenden, in denen liberale Lebensformen, also die Lebensform der eigenen Wahl, längst Alltag waren, verwandeln sich unter der Tyrannei religiös motivierter Gruppen in Angstregionen, in der schon ein harmloser Kuss verliebter Teenager oder ein Stück Musik tödlich enden können. In einer Welt, in der nichts so weit weg ist, dass es nicht auf einem Kleinstadt-Schulhof irgendwo in Deutschland einen handfesten Konflikt erzeugen kann, ist diese Entwicklung im Mittleren und Nahen Osten, in Asien und in Afrika immer latent präsent, wenn von Religion die Rede ist. Selbst da, wo die undurchsichtige Komplizenschaft von politischer Gewalt und religiöser Beglaubigung, von sozialer Verelendung und ökonomischer Abhängigkeit es schwierig macht, irgendeinen Konflikt in der Welt eindeutig als Religionskonflikt zu identifizieren, spielen sich religiöse Deutungen dieser Konflikte immer mehr in den Vordergrund. Das alte Deutungsparadigma, dass es auch bei religiöser Auf­ladung von Konflikten eigentlich immer um etwas ganz an­deres gehe, um Ressourcen, um soziale Verwerfungen, um Macht, dürfte sich als falsch erwiesen haben. Das hat Folgen für alles Reden über Religion.

...